Säumnis; Mahnverfahren Flashcards
(38 cards)
Versäumnisurteil: Arten
- Versäumnisurteil gegen den Beklagten (§ 331 I oder III ZPO)
- Versäumnisurteil gegen den Kläger
a. Echtes VU, § 330 ZPO
b. Unechtes VU
Unechtes VU: Charakteristik
= echtes kontradiktorisches Urteil, das sich weder in der Form noch in den Rechtsmitteln von anderen kontradiktorischen Urteilen unterscheidet
- wird gegen säumige Partei ohne Hinsicht auf ihre Säumnis erlassen
-> Klageabweisung als unzulässig oder unbegründet
–> bspw. B erscheint im Termin nicht. Nachdem das Gericht K darauf hingewiesen hat, dass es seine Klage für unschlüssig hält, erklärt K, er beantrage gleichwohl den Erlass eines Versäumnisurteils
Echtes VU: Charakteristik
- Endurteil
- Überschrift (§ 313b Abs. 1 ZPO)
- ohne TB und Entscheidungsgründe (§ 313b Abs. 1 ZPO, aber: § 313b Abs. 3 ZPO!)
- vorläufig vollstreckbar (§ 708 Nr. 2 ZPO)
- Einspruch statthaft, keine Berufung (§ 338 ZPO)
Echtes VU: Voraussetzungen im Termin
- Säumnis einer Partei in einem Verhandlungstermin (§§ 330, 331 I i.V.m. § 333 ZPO)
a. Nichterscheinen im Termin oder auch Nichtverhandeln trotz Erscheinen (§ 333 ZPO) - maßgeblich ist postulationsfähige Partei
b. Nichterscheinen im Beweisaufnahmetermin genügt nicht, wohl aber im anschließenden Verhandlungstermin (§ 370 ZPO) - Antrag des Gegners auf Erlass eines Versäumnisurteils (§§ 330, 331 I ZPO)
- Kein Erlasshindernis (§§ 335, 337 ZPO)
-> keine Säumnis im begriffliche Sinn liegt vor, wenn § 335 Nr. 2-4 ZPO einschlägig sind - Weitere Voraussetzungen
a. VU gegen Beklagten:
aa. Zulässigkeit der Klage
–> Beachte: Geständnisfiktion
(§ 331 I 1 ZPO) gilt nicht für Vortrag zur Zuständigkeit des Gerichts gem. § 29 II, § 38 ZPO
bb. Schlüssigkeit der Klage, § 331 I ZPO
b. VU gegen Kläger:
aa. bei echtem VU: keine weiteren Voraussetzungen
bb. bei unechtem VU: fehlende Zulässigkeit oder Schlüssigkeit der Klage
Beiderseitige Säumnis
- Entscheidung nach Lage der
Akten (§ 251a I und II ZPO)
oder
- Vertagung (§ 227 ZPO)
oder
- Anordnung des Ruhens des
Verfahrens von Amts wegen
VGL § 251a III ZPO für alle drei Varianten
Echtes VU: Voraussetzungen im schriftlichen Vorverfahren
- Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens, § 276 ZPO
- Fehlende Verteidigungsanzeige (= „Säumnis“), § 331 III ZPO
- Antrag des Klägers auf Erlass eines Versäumnisurteils, § 331 III ZPO
- Kein Erlasshindernis (§ 335 I Nr. 4 ZPO)
- Zulässigkeit der Klage
–> Beachte: Geständnisfiktion (§ 331 I 1 ZPO) gilt nicht für Vortrag zur Zuständigkeit des Gerichts gem. § 29 II, § 38 ZPO - Schlüssigkeit der Klage
Einspruch: Bedeutung als Rechtsbehelf
- einzig zulässiger Rechtsbehelf gegen echtes erstes VU
-> Berufung unzulässig, § 514 I ZPO
-> Revision unzulässig. § 565 ZPO - echtes zweites VU: nur beschränkte Berufung statthaft, §§ 345, 514 II ZPO
Einspruch: Folgen der Einlegung
- keine Beseitigung des VU
- Vollstreckung weiterhin möglich
- Eintritt der Rechtskraft gehemmt, § 705 S. 2 ZPO
- Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung gegen Sicherheitsleistung möglich, §§ 707, 719 ZPO
Einspruch: Zulässigkeit
- Statthaftigkeit, § 338 ZPO
- Form, § 340 Abs. 1 ZPO
-> Grds. Schriftform (h.M.)
-> bei fehlender Kenntnis vom VU kann neuer Klägerschriftsatz in Einspruch umgedeutet werden (OLG Braunschweig) - Frist, § 339 Abs. 1 ZPO
-> Notfrist von 2 Wochen - Beschwer, § 338 ZPO
- Zuständigkeit, § 340 Abs. 1 ZPO
- (allg. Prozesshandlungsvoraussetzungen)
(Teil-Einspruch möglich, § 340 II 2 ZPO)
Einspruch: Zulässigkeit: Bedeutung der Begründung
- Begründung nach § 340 III ZPO keine Zulässigkeitsvoraussetzung !
-> Ausdruck der Prozessförderungspflicht, §§ 277, 282 - aber bei fehlender Begründung können die Verspätungsvorschriften zur Anwendung kommen, § 340 III 3 ZPO
Einspruch: Folgen eines zulässigen Einspruchs
- Zurückversetzung in Lage vor der Säumnis, § 342 ZPO
-> Begründung des Einspruchs, § 340 III 1 ZPO (Präklusionsvorschriften anwendbar, § 340 III 3 ZPO) - kein Devolutiveffekt
- Terminierung zur Verhandlung über den Einspruch, § 341a ZPO
=> führt im Ergebnis zur Aufhebung oder Bestätigung des Versäumnisurteils, § 343 ZPO (es ergeht idR kein separates (Zwischen-)Urteil, dass der Einspruch zulässig ist) - Prozessfortsetzungsvoraussetzung (-> in Entscheidungsgründen vor Zulässigkeit der Klage)
Einspruch: Folgen eines unzulässigen Einspruchs
- Verwerfung durch Urteil, § 341 ZPO (auch im schriftlichen Verfahren)
-> ebenso, wenn bereits Wiedereinsetzung versagt wird
-> gegen fälschlich erlassenes Urteil sind Urteils-Rechtsmittel statthaft
Echtes VU: Urteil nach zulässigem Einspruch
- Überschrift („Urteil“)
- Tenor
-> Hauptsache: Aufhebung oder Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils, § 343 ZPO
-> Kosten: bei Aufrechterhaltung nur über die weiteren Kosten, bei Aufhebung
gesondert über Säumniskosten (§ 344 ZPO)
-> Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 709 S. 3 ZPO - Tatbestand
-> vor den Anträgen (Prozessgeschichte I): Versäumnisurteil
-> Anträge gehen auf Aufrechterhaltung/ Aufhebung des VU - Entscheidungsgründe
a. Zulässigkeit des Einspruchs vorab
b Zulässigkeit und Begründetheit der Klage
Echtes VU: Urteil nach unzulässigem Einspruch, § 341 II
- Überschrift (“Urteil”)
- Tenor
-> Hauptsache: “Der Einspruch des Beklagten gegen das VU vom … wird als unzulässig veworfen.”
-> Kosten: weitere Kosten (str. aus § 91 ZPO oder § 97 ZPO analog, iE: Einspruchsführer trägt Kosten)
-> Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 3 ZPO
Echtes VU: Urteil nach zulässigem Einspruch: Tenor bei teilweiser Aufrechterhaltung und teilweiser Aufhebung des VU
“Das VU vom … wird in Höhe von XY nebst … Zinsen seit dem … aufrechterhalten; im Übrigen wird es augehoben und die Klage wird abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten seiner Säumnis. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits …
(Vorläufige Vollstreckbarkeit nach allgemeinen Regeln, da VU auch hinsichtlich seiner vorläufigen Vollstreckbarkeit aufgehoben wurde)”
Echtes VU: Urteil nach zulässigem Einspruch: Tatbestand
- Geschichtserzählung
- Streitiges Vorbringen des Klägers
- Ursprünglich hat der Kläger beantragt, …
- Auf diesen Antrag ist in der Sitzung vom … gegen den Beklagten ein VU ergangen …
[3./4. alternativ: Das Gericht hat auf Antrag des Klägers am … ein Versäumnisurteil erlassen, durch das der Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger … seit dem … zu zahlen] - Gegen das VU, das dem Beklagten am … zugestellt worden ist, hat er mit einem am … bei Gericht eingegangenen Anwaltsschriftsatz Einspruch eingelegt (und diesen begründet).
- Der Kläger beantragt nunmehr, das VU aufrechtzuerhalten.
- Der Beklagte beantragt, das VU aufzuheben und die Klage abzuweisen
Echtes VU: Urteil nach zulässigem Einspruch: Entscheidungsgründe
- Aufgrund des Einspruchs des Beklagten gegen das VU vom … ist der Prozess nach § 342 ZPO in die Lage vor dessen Säumnis zurückversetzt worden. Der Einspruch ist zulässig; denn er ist statthaft sowie form- und fristgerecht iSd §§ 338 ff. ZPO eingelegt worden.
- Dem Kläger steht ein Anspruch … zu. Denn …
Zweites echtes VU: Säumnis im Einspruchstermin
= Nichterscheinen / Nichtverhandeln des Einspruchsführers im Einspruchstermin führt auf Antrag zu zweitem VU, § 345 ZPO, somit Voraussetzungen:
1. Zulässiger Einspruch
2. Säumnis der Partei
- aber unterscheide: verhandelt derjenige, gegen den ein VU ergangen ist, im Einspruchstermin, ist er aber in einem Folgetermin erneut säumig:
1. Auf Antrag erneut ein (erstes) VU
○ Tenor: Aufrechterhaltung des vorangegangenen VU
○ ein zweites VU ist wegen der Verhandlung im Einspruchstermin nicht
möglich
2. Auf Antrag Entscheidung nach Lage der Akten (§ 331a ZPO)
Zweites echtes VU: P: Muss erstes VU in gesetzmäßiger Weise ergangen sein? (Prüfung von Zulässigkeit/Schlüssigkeit/Voraussetzungen-VU)
- eA: (+), materielle Gerechtigkeit
pro: Restitutionswirkung aus § 342 ZPO - hM & BGH: (-)
pro: Umkehrschluss aus § 700 Abs. 6
pro: bei erneuter Säumnis verzichtet die säumige Partei gerade auf eine Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache: § 345 ist lex specialis
pro: eine nicht vorliegende Säumnis (zB fehlende Ladung) kann weiterhin nach § 514 Abs. 2 geltend gemacht werden
pro: Fortbestand des möglicherweise sachlich falschen Urteils ist vom Gesetzgeber gewollte Sanktionswirkung des § 345 (Ausprägung der besonderen Prozessförderungspflicht nach erster Säumnis)
Zweites echtes VU: Urteil
- Überschrift (“Versäumnisurteil”, § 313b ZPO)
- Tenor
-> Hauptsache: Verwerfung des Einspruchs (§ 345 ZPO): “Der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom … wird verworfen.”
-> Kosten: nur die weiteren Kosten (analog § 97 Abs. 1 ZPO)
-> Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 2 ZPO
(Wieder gem. § 313b ZPO i.d.R. ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe)
- Rechtsbehelf
-> Nur Berufung (§ 514 Abs. 2 ZPO)
Mahnverfahren: Vollstreckungsbescheid: Zusammenhang mit VU
-steht nach § 700 I einem echten VU gleich
- Besonderheiten nach § 700 III-VI ZPO
-> insb. § 700 VI ZPO: bei zweitem VU sind Prüfvoraussetzungen:
1. Antrag des Klägers
2. Säumnis des Beklagten
3. Zulässigkeit der Klage
4. Schlüssigkeit des Klagevorbringens
-> Telos: weder bei Erlass des Mahnbescheides nach § 692 ZPO noch bei Erlass des Vollstreckungsbescheids nach § 699 ZPO erfolgte Schlüssigkeitsprüfung
Mahnverfahren: Vollstreckungsbescheid: Tenor nach Einspruch
“Der Vollstreckungsbescheid des AG … vom … (Az [anzugeben, da nicht mit Az des streitigen Verfahrens identisch]) wird aufrechterhalten.
Der Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid vom … darf nur gegen Leistung der Sicherheit fortgesetzt werden.”
Mahnverfahren: Vollstreckungsbescheid: P: Prüfungsumfang bei Berufung gegen zweites VU
- eA: geringer Prüfungsumfang
pro: Wortlaut “Fall der Säumnis” - aA: weiter Prüfungsumfang, auch Prozessvoraussetzungen und Schlüssigkeit der Klage
pro: Fall der Säumnis wegen § 700 VI ZPO nur, wenn ein zweites VU ergehen durfte
Mahnverfahren: Widerspruch
- Formular, §§ 692 Nr. 5, 703a II ZPO
-> nach hM allerdings auch formlose Erklärungen beachtlich - Widerspruchsfrist: “solange Vollstreckungsbescheid nicht verfügt ist”, § 694 I ZPO
= wenn vom Rechtspfleger unterschrieben und gewisse Außenwirkung erlangt (Aufdenwegbringen zur Geschäftsstelle ausreichend) - Verspäteter Widerspruch: als Einspruch behandelt, § 694 II ZPO
- Widerspruch rechtzeitig, dennoch Vollstreckungsbescheid: § 694 II ZPO analog
- Widerspruch beschränkbar und (teil-) rücknehmbar, § 697 IV ZPO