Diagnostik und Differentielle Flashcards
(129 cards)
1.1 Besonderheit des psychologischen Diagnostizierens
Laut Psychologengesetz 2013 ist es die einzige genuin (= ursprünglich) und gesetzlich ausschließlich auf Psychologen beschränkte Tätigkeit in der Praxis.
Psychologische Diagnostik - Definition
ist die wissenschaftliche Disziplin (Lehrfach), die psychologisches Diagnostizieren für die Praxis vorbereitet.
Differenzielle Psychologie - Definition
ist die Forschungsrichtung, die sich mit Untersuchung psychischer Unterschiede
zwischen einzelnen Menschen und Menschengruppen beschäftigt.
Psychometrie - Definition
widmet sich der mathematisch-statistisch fundierten Theorie des Messens psychischer Phänomene, also der Theorie der Konstruktion psychologisch-diagnostischer Verfahren.
Psychologisches Diagnostizieren - Definition
ist ein Prozess, der unter Zuhilfenahme besonderer Verfahren zielgerichtete Informationen über die psychischen Merkmale von einem (od. mehreren) Menschen gewinnen will.
Der Prozess psychologischen Diagnostizierens
1) Klärung der Fragestellung
2) Auswahl der einzusetzenden Verfahren
3) Anwendung und Auswertung der Verfahren
4) Interpretation und Gutachtenerstellung
5) Festsetzen der Intervention (des Maßnahmenvorschlags)
1.2 Qualitätsprofil für Psychologen im Fach psychologische Diagnostik (16)
- Umfassende Kenntnis über Konzepte und Regeln der Gesprächsführung
- Fertigkeit umgangssprachlich formulierte Fragestellungen umzuformulieren
- Fertigkeit, je Fragestellung ein Anforderungsprofil auszuarbeiten
- Vertrautheit mit einem Katalog von Einflussgrößen, die mit dem Untersuchungsanlass typischer Weise in Verbindung stehen
- Detailkenntnisse von psychologisch-diagnostischen Verfahren des Standardinventars der Psychologischen Diagnostik
- Qualifikation zur selbständigen Einarbeitung in die Anwendung neuer psychologischdiagnostischer Verfahren
- Fähigkeit zur Beurteilung der Qualität psychologisch-diagnostischer Verfahren
- Ansprechende Routine in der Anwendung psychologisch-diagnostischer Verfahren
- Kenntnis der rechtlichen Rahmenbedingungen psychologischen Diagnostizierens
- Kenntnis der besonderen Testbedingungen bei bestimmten Populationen
- Sachkundigkeit in der Darstellung und Interpretation von Ergebnissen einer psychologischen
Untersuchung. - Kenntnis der psychohygienischen Versorgungsinstitutionen
- Kenntnis der Bildungsinstitutionen
- Kenntnisse über Konzepte & Regeln in der Präsentation der Ergebnisse einer psychologischen Untersuchung
- Beherrschen eines adressatengemäßen Ausdrucksstils
- Qualifikation zur Abfassung psychologischer Gutachten
1.3 Rechtsnahe Quellen:
- Psychologengesetz 2013 (in Ö)
- DIN 33430: Anforderungen an berufsbezogene Eignungsdiagnostik (in Ö: ÖNORM D 4000=
- Diagnostik- und Testkuratorium der Föderation Deutscher Psychologenvereinigung (DGPS und BDP)
- (durchgängige) Lehrmeinung
Rechtliche Vorgaben:
- Klinische Psychologen & Gesundheitspsychologen müssen ihren Beruf nach bestem Wissen & Gewissen und unter Beachtung der Entwicklung der Erkenntnisse der Wissenschaft auszuüben
- Psychologen pflegen eine größtmögliche sachliche und wissenschaftliche Fundiertheit, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit bei der Erstellung von Gutachten
- Psychologen fertigen Gutachten & Untersuchungsberichte so an, dass sie für Adressaten inhaltlich nachvollziehbar sind.
- Ein psychologisches Gutachten dokumentiert ein wissenschaftlich fundiertes Vorgehen und beantwortet eine vorgegebene Fragestellung.
Psychologisches Gutachten - Standards
1) Die Konkretisierung des zunächst nur umgangssprachlich gegebenen Auftrags zu einer fachlich beantwortbaren Fragestellung
2) Die Herleitung psychologischer Hypothesen über Bedingungszusammenhänge
3) Die Auswahl anzuwendender psychologisch-diagnostischer Verfahren
4) Die daraus gewonnen Ergebnisse und Gelegenheitsbeobachtungen
5) Die aus allen gewonnen Informationen getroffene Schlussfolgerungen
–> Die Unterschrift des Psychologen unter das PG ist als rechtsverbindlich zu qualifizieren, da darin explizit auf die berufsethischen Richtlinien hingewiesen wurde unter denen das PG erstellt wurde.
Zusammenfassung - Kapitel 1
- Praktische Tätigkeit als Psychologe –> Hohe Verantwortlichkeit
- Die Tätigkeit des Begutachtens erfordert hohe Qualitätsstandards
- Die Tätigkeit des Begutachtens bezieht sich insbesondere auf eine wissenschaftliche Leistung
- -> Daher ist auch das Beherrschen wissenschaftlichen Arbeitens sowie die Vertrautheit mit vielen Erkenntnissen der „Psychologie als Wissenschaft“ vonnöten.
2.1 Intelligenz nach Cattell
Nach CATTELL (und in der Folge Horn) geht es um Fluid vs. Crystallized Intelligence
Intelligenz nach Guildford
Nach GUILDFORD um dessen „Produkte“, insbesondere Klassen, Beziehungen und Implikationen
Intelligenz nach Jäger
Nach JÄGER geht es um die Materialien: verbal, numerisch und figural
Welches Intelligenzmodell gilt heute als allgemein anerkannt?
- In der Differenziellen Psychologie gilt heute die CATTELL-HORN-CARROLL (CHC)-Theorie als allgemein anerkannt (auch „Carroll’s Three-Stratum-Theory“ bezeichnet).
- CATTELL „teilte“ die Allgemeine Intelligenz wie SPEARMAN in 2 allgemeine Intelligenzen, Fluid und Crystallized Intelligence;
- sein Schüler HORN ergänze diese beiden Komponenten um weitere „broad abilities“.
- Carroll erweiterte die beiden hierarchischen Ebenen um eine 3. Ebene, „stratum III“
Welche Intelligenztests folgen explizit der CHC-Theorie?
- IDS-2: Intelligence and developmental scales – Intelligenz- und Entwicklungsskalen für Kinder und Jugendliche
- KABC-II: Kaufman Assessment Battery for Children II, deutschsprachige Adaption
Probleme dieser Intelligenztests in der Praxis
es weisen die beiden hauptsächlich zu interpretieren empfohlenen Testkennwerte kaum Bezug zur CHC-Theorie auf –> wenig verwunderlich, weil beide ursprünglich auf ganz andere Intelligenzkonzepte zurückgehen (IDS-2 auf “Kramer-Test”, auf BINET SIMON; KABC-II auf WECHSLER). Damit gehen die Tests auf eine pragmatische intelligenztheoretische Position zurück: „gemessen wird, was zu messen geht“. Auch: Die Faktorenanalytisch basierten Theorien „stehen und fallen“ mit den Problemen dieser Methode: es handelt sich um ein nicht-prüfbares Modell + die hohe „Stichprobenabhängigkeit“ der Methode macht es sehr wahrscheinlich, dass gewonnene empirische Ergebnisse nicht universell gelten.
In der Praxis findet die CHC Theorie eigentlich keine Umsetzung. Vielmehr liegt oft der „pragmatische Standpunkt zugrunde, ziemlich viele Fähigkeiten, die für „intelligentes“ Verhalten verantwortlich scheinen, zu erfassen.“ Aus dieser pragmatischen Wirklichkeit, nämlich schlicht gegebener Untertests, resultiert für die gemessenen Fähigkeiten eine Dimensionalität bzw. Faktorenstruktur, die sich in keiner einschlägigen Intelligenztheorie wiederfindet.
Intelligenztests in der Praxis
Die Praxis richtet sich nach dem Machbaren – z.B. wird im AID definiert: „Intelligenz ist die Gesamtheit aller kognitiven Voraussetzungen, die notwendig sind, um Wissen zu erwerben und Handlungskompetenzen zu entwickeln.“ Dementsprechend ist die Testbatterie aus einem pragmatischen Ansatz heraus konzipiert, nämlich ziemlich viele der verfüg- und testbaren Aufgabenstellungen zu bieten, um möglichst alle in der obigen Definition von „Intelligenz“ anklingenden basalen und komplexen Kognitionen abzuprüfen. –> Das bekümmert Intelligenztheoretiker, beruhigt aber die in der Praxis tätigen Diagnostiker. Was das für die Validität bedeutet, wird später diskutiert.
2.2 An welcher Theorie ist die Persönlichkeitsdiagnostik orientiert?
In der Persönlichkeitsdiagnostik sind Fragebögen ausschließlich an der geltenden Theorie der Differenziellen Psychologie orientiert – z.B. Big Five Persönlichkeitsmodell (Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit)
Entstehung des Big 5-Modells
Entstehung des Big 5-Modells geht auf die Sedimentationshypothese zurück –> besagt, dass alles Aspekte individueller Differenzen, die bedeutsam, interessant und nützlich sind/waren, in die Sprache Eingang gefunden haben.
Je bedeutender eine solche individuelle Differenz, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass sie ein gesondertes Wort hervorbrachte. Die Sedimentationshypothese impliziert, dass Lexika das Universum aller bedeutenden individuellen Unterschiede abdecken.
Der lexikalische Ansatz von CATTELL
Der lexikalische Ansatz diente schon CATTELL als Grundlage für die Persönlichkeitstests-Fragebogenbatterie 16 PF (16-Persönlichkeits-Faktoren-Test). Ausgehend von nahezu 18.000 persönlichkeitsrelevanten Begriffen des Webster’s New International Dictionary wurden die hinsichtlich der Anzahl 16 berühmten Faktoren gewonnen.
16 PF zu Big Five
Viele nachfolgenden Untersuchungen nahmen seine Daten als Grundlage für weitere Analysen. So auch TUPES & CHRISTAL, die Reanalysen und Analysen von 8 verschiedenen Stichproben vornahmen und dabei stets 5 Faktoren feststellten.
Letztlich schließen COSTA & MCCRAE aus kulturvergleichenden und verhaltensgenetischen Studien mit dem aktuellen Repräsentanten des Big-5-Persönlichkeitsmodells auf eine biologisch begründete universale Gültigkeit der Big 5-Faktoren.
Woher der Name NEO-PI?
Die Hervorhebung im Namen des Verfahrens von 3 der 5 Faktoren durch NEO-PI erklärt sich daraus, dass es ursprünglich gar nur 3 Faktoren waren: Neurotizismus, Extraversion & Offenheit für Erfahrung.
Persönlichkeitsdiagnostik in der Praxis
All das beruhigt Persönlichkeitstheoretiker, aber beschränkt die in der Praxis tätigen Diagnostiker. Allerdings: für die Praxis werden damit wichtige Aspekte nicht erfasst, so dass es etliche spezielle Persönlichkeitsfragebögen gibt.