Baurecht Drittschutz Flashcards
(40 cards)
Schutznormtheorie
subj.-öff. Recht (+), wenn betreffende Norm nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nur den Interessen der Allgemeinheit, sondern nach ihrer Zweckbestimmung zumindest auch den Individualinteressen eines abgrenzbaren Kreises Einzelner zu dienen bestimmt ist und Nachbar diesem Kreis angehört
Eine Norm ist drittschützend, wenn
sie nicht ausschließlich objektiv-rechtilchen Charakter besitzt und nur dem öffentlichen Interesse dient, sondern auch dem Schutz von Individualinteressen derart zu dienen bestimmt ist, dass die Träger der Individualinteressen die Einhaltung des Rechtssatzes verlangen können.
Feststellung nachbarschützender Normen
→ Kreis der begünstigten Personen durch die Norm hinreichend klar und bestimmt
→ als verletzt in Betracht kommende Norm ist dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt
→ Träger des Individualinteresses kann verlangen, dass der Rechtssatz eingehalten wird
Nachbareigenschaft
→ räumliche + personelle Beziehung zum Grundstück
- räumlich: jeder Planbetroffene im Baugebiet, Planunterworfenheit des Grundstücks, Einwirkungsbereich der baulichen Anlage
- persönlich: dingliche Berechtigung am betroffenen Grundstück (Nachbar = Eigentümer)
Rücksichtnahmegebot
ein Vorhaben hat Rücksicht auf benachbarte Bebauung zu nehmen, es müssen Beeinträchtigungen vermieden werden und ein Ausgleich zwischen dem Bauherren und seiner Umgebung geschaffen werden
Prüfung der Antragsbefugnis in baurechltichen Drittanfechtungsfällen
I. Vorliegen einer drittschützenden Norm
II. Nachbareigenschaft des Klägers / Antragstellers (persönlicher Schutzbereich)
III. Rechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen
→ Präklusion, Art. 66 I 1 BayBO
persönlicher Schutzbereich: Nachbareigenschaft
- nur eingentumsähnlich berechtigte, d. h. insbesondere “Nachbarn”, die (Mit-)Eigentümer bzw. Wohnungseigentümer, Nießbraucher, Erbbauberechtigter oder durch Auflassungsvormerkung gesicherte Käufer sind
- nicht: Mieter, Pächter → Baurecht grundstücksbezogen, Repräsentant des Grundstücks ist ausschließlich Eigentümer, vgl. Art. 66 III 3 BayBO
Drittschutz aus Rücksichtnahmegebot
vermittelt zwar zunächst nur als objektiv-rechtliches Gebot per se keine nachbarschützende Wirkung, aber partiell drittschützende Wirkung, wenn im Einzelfall in qualifizierter und zugleich individualisierter Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Personenkreises Rücksicht zu nehmen ist
→ Fälle, in denen die tatsächlichen Umstände “handgreiflich” ergeben, auf wen Rücksicht zu nehmen ist (“individualisiert”) und eine besondere rechtliche Schutzbedürftigkeit des Dritten anzuerkennen ist (“qualifiziert”)
2 Voraussetzungen:
- für den Bauherrn im konkreten Fall ohne Weiteres erkennbar
- besondere Qualität der Beeinträchtigung
genereller Drittschutz
objektive Verletzung zieht immer und unmittelbar auch eine Rechtsverletzung des Dritten nach sich, ohne dass es auf zusätzliche Aspekte des Einzelfalles ankommt
partieller Drittschutz
solche Vorschriften, die nicht generell, aber bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall Drittschutz entfalten können
→ objektive Rechtsverletzung schlägt nur dann mittelbar auch in eine Rechtsverletzung des Dritten um, wenn im Einzelfall noch weitere Umstände hinzutreten
genereller Drittschutz, § 30 BauGB
Gebietserhaltungsanspruch
Festsetzungen in Bebauungsplänen bzgl. der Art der baulichen Nutzung, §§ 1 ff. BauNVO
genereller Drittschutz, § 30 BauGB
Gebietsprägungserhaltungsanspruch
Anspruch auf Aufrechterhaltung der typischen Prägung des Baugebiets, wenn einem (i. d. R. von vornherein in dem Baugebiet nur als Ausnahme zulässigen) Vorhaben eine beherrschende Prägung zu Teil wird, womit die Eigenart der näheren Umgebung grundlegend verändert wird
von VGH nicht anerkannt!
genereller Drittschutz, § 30 BauGB
Festsetzungen in Bebauungsplänen bzgl. des Maßes der baulichen Nutzung, §§ 16 ff. BauNVO
nur, wenn der Bebauungsplan durch seine Beschränkungen ausnahmsweise erkennbar die Interessen der Bewohner des Baugebiets schützen will
partieller Drittschutz, § 30 BauGB
Rücksichtnahmegebot
- § 15 I 2 BauNVO: “Belästigungen oder Störungen”
- § 31 II BauGB: “Würdigung nachbarlicher Interessen”
genereller Drittschutz im Innenbereich, § 34 BauGB
- im homogenen Innenbereich, § 34 II BauGB:
→ Gebietserhaltungsanspruch
→ Gebietsprägungserhaltungsanspruch - im heterogenen Innenbereich, § 34 I BauGB (-)
partieller Drittschutz im Innenbereich, § 34 BauGB
- im homogenen Innenbereich, § 34 II BauGB
→ § 15 I 2 BauNVO
→ § 31 II BauGB - im heterogenen Innenbereich, § 34 I BauGB
→ für Innenbereichsvorhaben ggü. Innenbereichsbebauung (“Einfügen”)
→ für Innenbereichsvorhaben ggü. abgrenzender Außenbereichsbebauung: “sonstiger öff. Belang”
→ § 34 IIIa 1 Nr. 3 BauGB
Drittschutz im Außenbereich, § 35 BauGB
- genereller Drittschutz (-)
- partieller Drittschutz
→ § 35 III 1 Nr. 3 BauGB
→ § 35 III 1 BauGB: sonstige nachteilige Wirkungen, Rücksichtnahmegebot unbenannter öffentlicher Belang (vgl. „insbesondere“) für solche Wirkungen, die nicht unter Nr. 3 fallen, bspw. allgemeine Verschlechterung der Grundstückssituation durch Beeinträchtigung der Aussicht (ob Verletzung, ist Frage der BH)
RSB Nachbarklage
Verwirkung
- Zeit- + Umstandsmoment
- ab Zeitpunkt der zuverlässigen Kenntiserlangung oder dem Zeitpunkt, in dem Zeitpunkt, in dem der Nachbar zuverlässige Kenntnis von dem Bauvorhaben haben müsste (Umstandsmoment), muss er sich so behandeln lassen, als ob die Genehmigung (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) an ihn zugestellt worden wäre
→ Rspr. greift dann grundsätzlich auf Rechtsgedanken der Jahresfrist des § 58 II VwGO zurück (Zeitmoment)
Auswirkungen fehlende Nachbarbeteiligung nach Art. 66 BayBO
- hat nicht zur Folge, dass Baugenehmigung rechtswidrig ist
- nur formelle Beteiligung des Nachbarn → materiell ohne Einfluss
- Verfahrensnorm - keine drittschützende Wirkung!
- wohl h. M.: Spezialregelung zur Anhörung nach Art. 28 BayVwVfG → Heilung nach Art. 45 BayVwVfG möglich + Erteilung BG = gebundene Entscheidung → Unbeachtlichkeit gem. Art. 46 BayVwVfG
Prüfung des Rücksichtnahmegebots innerhalb der Drittanfechtung
→ Abwägung der widerstreitenden Interessen
umfassende Abwägung der im konkreten Fall widerstreitenden Interessen, Umstände des konkreten Falls zugrunde zu legen
→ je empfindlicher und schutzwürdiger die Stellung derer ist, denen die Rücksichtnahme zugute kommt, desto mehr kann an Rücksichtnahme verlangt werden
→ je verständlicher und unabweisbarer die mit dem Vorhaben verfolgten Interessen sind, umso weniger braucht der Bauherr Rücksicht zu nehmen
Prüfung des Rücksichtnahmegebots innerhalb der Drittanfechtung
→ Abwägung der widerstreitenden Interessen: Prüfung nach Rspr.
I. Konkretisierung der einzubeziehenden Interessen
1. Schutzwürdige Nutzungsinteressen:
a) nur genehmigte oder genehmigungsfähige Nutzungen
b) nur grundstücksbezogene Interessen: nicht persönliche Verhältnisse oder besondere Empfindsamkeiten
2. schutzbedürftige rechtliche Interessen: keine rein ideellen oder wirtschaftlichen Interessen
II. Zumutbarkeit der Beeinträchtigung der schutzwürdigen und schutzbedürftigen Interessen der andren Nutzungsberechtigten → Abwägung:
1. gesetzlicher Gewichtungen der kollidierenden Interessen
2. Vorbelastungen eines Grundstücks
3. i. Z. eher kein Verstoß gegen Rücksichtnahmegebot
P: statthafte Klage i. R. e. verwaltungsgerichtlichen Vorgehens des Nachbarn gegen die Baugenehmigung des Bauherrn, gestützt auf Rechtsverstöße, die sich außerhalb des obligatorischen Prüfungsprogramms der Behörde befinden
e. A.: Anfechtungsklage
→ ermessensfehlerhafter Verzicht auf Versagung der Baugenehmigung, Art. 68 I 1 HS 2 BayBO
h. M.: Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten
(+) Art. 68 I 1 HS 2 BayBO nicht drittschützend, schafft nur Versagungsmöglichkeit, führt aber keine positive Gestattungswirkung der Genehmigung herbei
(+) Regelungswikrung der Baugenehmigung erstreckt sich nicht auf Rechtskonformität, Verstoß wird nicht positiv legalisiert
Schutz vor Wertminderungen
(-), kein allgemeiner Grundsatz mit dem Inhalt, dass der Einzelne einen Anspruch darauf hat, vor jeglicher Wertminderung geschützt zu werden, wenn Dritte von ihrer Baufreiheit Gebrauch machen
→ aus Art. 14 I GG unmittelbar ohnehin (-)
Abwägungskriterien i. R. d. Rücksichtnahmegebots gem. § 15 I BauNVO
- Schutzwürdigkeit des Betroffenen
- Intensität der Beeinträchtigung
- Interessen des Bauherren
- Zumutbarkeit