Polizeirecht: Versammlungen Flashcards
(16 cards)
öffentliche Versammlung unter freiem Himmel
→ Legaldefinition Art. 2 BayVersG
→ ungehinderter Kontakt zur Außenwelt, keine Zugangsbegrenzungen zur Seite, keine Zugangskontrolle möglich
Versammlung i. S. v. Art. 8 GG
BVerfG: örtliche Zusammenkunft mehrerer Personen (quantitatives Element) zur gemeinschaftlichen, auf die Teilhabe an der öff. Meinungsbildung gerichteten Erörterung oder Kundgebung (qualitatives Element; gemeinsamer Zweck)
Wann liegt Versammlung vor?
- zeitlich: nicht davor / danach (aber Art. 8 I GG (+))
- sachlich: Zweck der Versammlung muss überwiegend auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet sein, Art. 2 I BayVersG
wenn gemischter Zweck: Schwerpunkt entscheidend
Anwendbarkeit BayVersG: öffentlich ↔︎ nicht öffentlich
Art. 2 III BayVersG: nur öffentliche Versammlungen
II: Definition öffentlich, Kennzeichnung durch den Veranstalter hat nur Indizwirkung, Ausschluss bestimmte Personen schließt Öffentlichkeit nicht aus, ebenso Eintrittskarten / -gelder
→ Beschränkungen, Verbote, Auflösungen: Art. 12, 15 BayVersG
Anwendbarkeit BayVersG auf nichtöffentliche Versammlungen?
e. A.: Art. 12, 15 BayVersG analog
(-) Wortlaut Art. 2 III BayVersG → keine Regelungslücke
(-) Verbot analoger Anwendung von Eingriffsbefugnissen
a. A.: allgemeines Polizei- und Sicherheitsrecht
(+) Art. 91 PAG, Art. 58 S. 1 LStVG
aber: Gebot der Widerspruchsfreiheit der Rechtsordnung → nichtöffentliche Versammlungen dürfen nicht unter geringeren Anforderungen als (gefährlichere) öffentliche Versammlungen verboten werden → teleologische Reduktion der Vorschriften des PAG und LStVG, Orientierung an Art. 12, 15 BayVersG
Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts
ab Beginn der Versammlung: Polizei darf nur noch nach dem abschließenden, spezielleren BayVersG tätig werden, Rückgriff auf Befugnisse des allg. Polizeirechts ausgeschlossen
vgl. auch Art. 7 II LStVG, Art. 11 III PAG
Ausnahmen:
- kein Schutz der Versammlung (unfriedlich)
- zeitlich: Vorfeldmaßnahmen oder nach Auflösung / Beendigung Versammlung
- nicht-versammlungsspezifische Gefahren
- milderes Mittel im PAG oder keine Regelung im BayVersG
Verfahren Versammlungsverbot → Anhörung gem. Art. 28 I BayVwVfG
Kooperationsgespräch, Art. 14 I 1 BayVersG
Rechtscharakter von Versammlungsbeschränkung und -verbot
→ Art. 15 BayVersG
Maßnahmen nach Art. 15 BayVersG = eigenständige und daher isoliert angreifbare Verwaltungsakte
Auflagen ≠ Nebenbestimmungen, von Auflagen im verwaltungsrechtlichen Sinne zu unterscheiden
Voraussetzungen Art. 15 I BayVersG
- Gefahr für öff. Sicherheit/Ordnung oder
Vorliegen eines Falles des Art. 12 I BayVersG
→ Gefahr für öff. Ordnung nur in Extremfällen ausreichend für Versammlungsverbot (Wille der Mehrheit gegen Minderheit)
→ Gefahr muss unmittelbar von der Versammlung ausgehen - Ermessen
a) richtiger Adressat der versammlungsrechtlichen Verfügung
→ Rechtsgedanke Art. 9 LStVG
→ Gegenveranstaltung als Störer
b) VHMK
→ Art. 8 I GG
Rechtzeitigkeitsgebot
Art. 15 III BayVersG
Schranken Art. 5 I GG
BVerfG: ungeschriebene, verfassungsimmanente Schranke: nationalsozialistische Unrechts- und Schreckensherrschaft
(Art. 15 II Nr. 2 BayVersG)
Ausnahme von der Allgemeinheit meinungsbeschränkender Gesetze gem. Art. 5 II GG für Bestimmungen, die der propagandistischen Gutheißung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft Grenzen setzen
→ Unrecht und Schrecken der Nationalsozialisten entzieht sich allg. Kategorien
P: VHMK von Art. 15 II Nr. 2 BayVersG (Schranken-Schranken)
→ richtet sich gegen Meinung an sich
- BVerfGE bzgl. § 130 IV StGB: vhmg.
- anders als § 130 IV StGB aber nur Gefahr erforderlich und kein Abstellen auf öff. Frieden
- Gefahr ausreichend → systematisch Sicherheitsrecht
- fehlendes Abstellen auf öff. Frieden: Wechselwirkungslehre = eingreifendes Gesetz darf nicht vollständige Meinungsäußerung verbieten → staatliche Einschränkungen umso weniger möglich, je weiter Meinungsäußerung von einer konkreten Rechtsgutsverletzung entfernt ist, also rein geistige Wirkungen zeitigt
→ verfassungskonforme restriktive Auslegung
verfassungskonforme restriktive Auslegung von Art. 15 II Nr. 2 BayVersG
- rein geistig bleibende Meinungsäußerungen dürfen nicht ausreichend, um TB zu erfüllen
- hohe Anforderungen an Gefahrenprognose, Kausalzusammenhang und die zu erwartenden Wirkungen der Meinungsäußerungen
Versammlungsverbot zugunsten der öffentlichen Ordnung, vgl. Art. 15 I BayVersG
→ verfassungskonforme Auslegung: nur ausnahmsweise zulässig, wenn es sich nicht auf den Inhalt, sondern auf die Art und Weise der Meinungsäußerung bezieht, mithin der Verhinderung provokativer, aggressiver und einschüchternder Versammlungen gilt, durch die ein Klima der Gewaltbereitschaft erzeugt werden soll (→ Charakter der Versammlung)
Haftung Versammlung für Gegenveranstaltung?
- Haftung als Verhaltensstörer gem. Art. 9 I 1 LStVG (-), Versammlung nur Anlass, nicht aber unmittelbare Ursache → keine Zurechnung
- Haftung als Zweckveranlasser?
(+), wenn Veranstalter die gegen seine Versammlung gerichteten Aktionen bewusst auslösen will → nach BVerfG nur, wenn besondere provokative Begleitumstände vorliegen - ausnahmsweise Haftung des Veranstalters der nichtstörenden Versammlung
→ nur, wenn Gefahr nicht auf andere Weise abgewehrt werden kann
→ Rechtsgedanke Art. 9 III 1 HS 2 LStVG, polizeilicher Notstand: Behörden auch bei Heranziehung aller verfügbaren Polizeikräfte nicht in der Lage, öff. Sicherheit zu gewährleisten
→ bloße Zweckmäßigkeitserwägungen unbeachtlich
→ Prioritätsprinzip nur relevant, wenn für denselben Ort und die gleiche Zeit angemeldete Versammlungen gleichermaßen schutzwürdig sind
Gefährdung der öff. Sicherheit und Ordnung durch einzelne Teilnehmer der Versammlung
Versammlungsverbot (-)
→ sonst könnten Minderheiten jede Versammlung verhindern und Versammlungsfreiheit faktisch außer Kraft setzen
→ nur gegen einzelne Störer gerichtete Maßnahmen statthaft, Art. 15 V BayVersG
→ A: polizeilicher Notstand = Störung kann nur durch Vorgehen gegen die gesamte Versammlung unterbunden werden