Kommunalrecht: Geschäftsgang im Gemeinderat Flashcards
(24 cards)
Gemeinderat
- Hauptorgan der Gemeinde (Art. 29 GO)
- Zusammensetzung in Art. 31 GO geregelt
- Haupttätigkeit: Beschlussfassung
- Beschlüsse werden durch ersten Bürgermeister vollzogen (Art. 36 S. 1 GO)
Geschäftsgang im Gemeinderat
1) Beschlussfähigkeit, Art. 47 II GO
→ Ladung
→ Mehrheit anwesend und stimmberechtigt
2) Ausschluss eines Gemeinderatsmitglieds nach Art. 49 GO
3) ordnungsgemäße Abstimmung, Art. 51 GO
4) Öffentlichkeit der Sitzung, Art. 52 GO
5) Sitzungsniederschrift, Art. 54 GO
Statusrechte der Gemeinderatsmitglieder
- Rederecht
- Stimmrecht
- Teilhaberecht
→ Sicherstellung demokratischer Staatsverwaltung
→ Grundsatz des freien Mandats
Art. 48 I 2 GO: pflichtwidrige Enthaltungen → Auswirkung?
ohne Einfluss auf Wirksamkeit des Beschlusses, Verstoß führt nicht zur Rechtswidrigkeit
→ rechtmäßigkeitsneutrale Ordnungsbestimmung
→ Art. 47 II GO verlangt nur, dass Mehrheit der Gemeinderatsmitglieder anwesend und stimmberechtigt ist, nicht dass Mehrheit von Stimmrecht Gebrauch macht
→ sich Enthaltende werden nicht mitgezählt, da neutral
(+) sonst Blockade durch Enthaltungen möglich
Wertung als Nichtabstimmung
Sinn und Zweck Tagesordnung
Mitgliedern des Gemeinderats soll Möglichkeit zur Vorbereitung auf die Sitzung und taugliche Entscheidungsgrundlage zur Teilnahme an der Sitzung gegeben werden
Tagesordnungspunkt “Verschiedenes”
nicht ausreichend, da er Zweck der Ladung nicht gerecht wird: keine ausreichende Vorbereitungsmöglichkeit
→ allgemeiner Ladungsmangel
→ Heilung, wenn sich sämtliche Gemeinderatsmitglieder anwesend sind und sich rügelos einlassen, da dann beiden Zwecken hinreichend Rechnung getragen
Dringlichkeitsantrag
Angelegenheit muss objektiv dringlich sein = mit Behandlung kann nicht bis zur nächsten Sitzung gewartet werden, ohne dass dadurch ein wesentlicher Nachteil für die Gemeinde oder einen Dritten entstünde
→ Ladungsfristen
P: Rechtsfolge bei Verstößen gegen die Geschäftsordnung des Gemeinderats
- Geschäftsordnungautonomie (Art. 45 I GO) erlaubt nur Ausfüllung der gesetzlichen Regelungen, nicht ihre abweichende Definition → Verstoß gegen die GeschO kann nur dann zur Unwirksamkeit eines Beschlusses führen, wenn er zugleich einen Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen darstellt und keine Heilung möglich ist, sonst bloße Ordnungsbestimmung
→ Grundsatz: isolierter GeschO-Verstoß führt nicht zur Unwirksamkeit des gefassten Gemeinderatsbeschlusses, nur wenn zugleich gesetzl. Bestimmung verletzt, kommt kein gültiger Beschluss zustande - Ausnahme für schwerwiegende Verstöße? von BayVGH offen gelassen
Entbehrlichkeit der Ladung
nur, wenn Erscheinen absolut ausgeschlossen ist
→ bei schwerer Erkrankung oder Entschuldigung (-), da nur unwahrscheinlich, aber tatsächlich möglich
→ mündliche Ladung nicht ausreichend
→ bei Art. 53 II GO (+), da rechtlich ausgeschlossen
Beschlussfähigkeit: Ladungsmangel (Verstoß gegen Art. 47 II GO)
für Beschlussfähigkeit ist Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgeblich
→ wenn Ladungsmangel dann nicht mehr kausal (durch Tod / Heilung durch Verzicht), unerheblich
Heilung Ladungsmangel (Verstoß gegen Art. 47 II GO)
→ Heilung, wenn jeweilige Gemeinderatsmitglieder anwesend sind und sich rügelos einlassen, da dann beiden Zwecken hinreichend Rechnung getragen
→ BayVGH: wenn Gemeinderatsmitglied anderweitig von Sitzung erfährt und sich beim ersten BM entschuldigt
Beschlussfähigkeit: Ist-Stärke
Soll-Stärke (Art. 31 GO: 1. BM + Gemeinderatsmitglieder) abzüglich
- Mitgliedern, die ihr Amt nach Art. 48 III GO verloren haben,
- aus anderen Gründen Ausgeschiedener (z. B. Tod) und
- Ausgeschlossener (Art. 53 I 3, II GO)
Voraussetzungen Ausschluss nach Art. 49 I GO
- Kreis der tauglichen Begünstigten, Art. 20 V BayVwVfG
- Vor- / Nachteil: wirtschaftlicher oder ideeller Natur, “bringen kann” → Möglichkeit ausreichend
- Unmittelbarkeit: ausreichend, dass Vollzug des Beschlusses den Vor- / Nachteil herbeiführt
→ wer nach Art. 49 I 1 GO persönlich beteiligt ist, ist kraft Gesetzes von der Mitwirkung ausgeschlossen, Beschluss nach III hat nur deklaratorische Wirkung; Art. 49 IV GO
Ausschluss nach Art. 49 I GO: unmittelbarer Vor- oder Nachteil
„unmittelbaren Vor- oder Nachteil“
h. M.: Maßgeblich, ob Gemeinderatsmitglied bzw. ihm nahestehende Personen individuell (= Sonderinteresse) oder als Angehöriger einer Gruppe (= Gruppeninteresse) betroffen ist, Ausschluss nur rechtmäßig bei individueller Betroffenheit
→ Gruppeninteresse kann nur dann angenommen werden, wenn die Gruppe eine gewisse Größe hat, beispielsweise als Berufs- oder Bevölkerungsgruppe, und die Interesse eher zufällig parallel laufen
Folge Ausschluss nach Art. 49 I GO
P: ausgeschlossenes Mitglied hat Beratung beeinflusst
→ Fällt Beratung unter “Mitwirkung” i. S. d. Art. 49 IV GO?
(+) Wortlaut, sonst stellte Art. 29 I 1 GO im Hinblick auf Beratung bloße Ordnungsvorschrift dar
(-) nur Abstimmung, nicht Beratung, da regelmäßig nicht festgestellt werden kann, ob die Teilnahme an der Beratung das Abstimmungsergebnis beeinflusst hat oder nicht
erster Bürgermeister: Art. 38 KWBG ↔︎ Art. 49 GO
Art. 38 KWBG, wenn es um Tätigkeit außerhalb des Gemeinderats geht (Amtshandlungen kraft eigener Zuständigkeit, insbesondere auf Grundlage von Art. 37 GO)
Art. 49 GO, wenn BM als Mitglied des Gemeinderats handelt (Beratung und Abstimmung)
Folge Ausschluss nach Art. 49 I GO
P: Wie ist unberechtigter Ausschluss zu behandeln?
→ Art. 49 IV GO analog?
(-) keine vergleichbare Interessenlage: Situation eher der unterbliebenen Ladung vergleichbar, gravierender Eingriff in Organrechte, der Mitwirkungsmöglichkeit beraubt
→ führt zu Ungültigkeit des Beschlusses
Rechtsfolgen des fehlerhaften Ausschlusses der Öffentlichkeit entgegen Art. 52 II 1 GO
früher: bloße Ordnungsvorschrift, Rechtswirksamkeit zustande gekommener Beschlüsse nicht berührt
jetzt: Ungültigkeit des Beschlusses
(+) Öffentlichkeitsgrundsatz = tragendes Verfahrensprinzip der Kommunalverfassung, Legitimations- und Kontrollfunktion
aber gilt nicht für fehlende ortsübliche Bekanntmachung, Art. 52 I 1 GO, da dies nur Behinderung der Teilnahme der Öffentlichkeit und keinen vollständigen Ausschluss darstellt
Rechtsfolge unvollständiger oder unrichtiger Niederschriften, Art. 54 GO
bloße Ordnungsvorschrift: unvollständige / unrichtige oder fehlende Niederschriften haben keine Auswirkungen auf die Gültigkeit des Beschlusses
Art. 38 I KWBG: unmittelbarer Vor- oder Nachteil
kommt (anders als bei Art. 49 GO: “bringen kann”) darauf an, ob Vor- / Nachteil tatsächlich eintreten kann
möglicherweise beteiligtes Gemeinderatsmitglied / BM verlässt vor Abstimmung den Saal
- tatsächliche Beteiligung irrelevant, da jedenfalls nicht anwesend → keine Beeinflussung
- kein Fall des unberechtigten Ausschlusses, da Mitglied freiwillig gegangen ist → keine Ungültigkeit
Ausfertigung
= urkundliche Festlegung der Norm durch Unterzeichnung auf der Originalurkunde
→ handschriftliche Unterzeichnung mit Familiennahmen, Datums- und Ortsangabe auf der Originalurkunde erforderlich
- Dokumentationsfunktion: dokumentiert Abschluss und Ergebnis des Verfahrens
- Authentizitätsnachweis: bestätigt Übereinstimmung Inhalt Satzung - Wille Gemeinderat
- Legalitätsfunktion: bestätigt Rechtmäßigkeit des Verfahrens
Bekanntmachung
Verkündung in der vorgeschriebenen Form
Rechtsgrundlage Gemeinderatsbeschluss
- ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage (-)
- in Art. 47 I GO wird vorausgesetzt, dass Gemeinde grundsätzliche Befugnis eingeräumt ist, ihre Angelegenheiten durch Beschlüsse zu regeln
- Braucht Gemeinde überhaupt RGL, um Beschlüsse zu fassen?
(-) Allzuständigkeit der Gemeinde, Art. 6 I, 7, 57 GO, 83 BV
(+) Vorbehalt des Gesetzes → Inhalt des Beschlusses entscheidend: Grundrechtseingriff?